Weltkugel

Glaube – oder Ego

Jürgen Ferrary
20. Mai 2025

Ich bin ohne Glauben aufgewachsen – zumindest dachte ich das lange Zeit. Denn bei uns spielte Gott keine Rolle. Und doch war da etwas wie ein „Glaube“. Auch Atheismus ist im Grunde ein Glaube – nämlich der Glaube, dass es nichts Höheres gibt als den Menschen.

Als Kind schwankte ich zwischen zwei Polen: Auf der einen Seite glaubte ich, es gäbe keinen Gott. Auf der anderen Seite hatte ich die Vorstellung eines strengen, strafenden Gottes, der nur darauf wartete, dass wir Menschen einen Fehler machten – um uns dann zur Rechenschaft zu ziehen.

Komisch, oder? Es gibt keinen Gott – aber wenn du etwas falsch machst, straft er dich.

Diese Angst vor Strafe steckt übrigens auch vielen Christen in den Knochen. Auch nachdem ich zum Glauben gekommen war, war das Bild des richtenden Gottes noch lange Teil meiner Gottesbeziehung. Dazu beigetragen haben sicher die freundlichen Menschen mit den Heftchen in der Fußgängerzone oder die, die von Tür zu Tür gehen, um vor dem drohenden Ende der Welt zu warnen.

Sie alle sprechen vom Gericht. Vom großen Buch, das Gott aufschlägt. Von unseren Taten, die dann auf den Tisch kommen. Und ja: Die Bibel spricht klar davon, dass niemand von uns aufgrund seiner Werke vor Gott bestehen kann.

Aber geht es Gott darum, uns zu richten? Daumen hoch oder runter? Himmel oder Hölle? Ich glaube: Nein. Gott will nicht vernichten. Er will retten.

In Johannes 3,16–18 heißt es:

„Denn Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen, sondern das ewige Leben haben. Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, um über sie Gericht zu halten, sondern um sie zu retten.“

Das ist Gottes Herz. Er liebt dich. Bedingungslos. Tiefer als es je ein Mensch könnte. Und er sehnt sich danach, dass du ihm vertraust.

Aber da ist unser Problem: Wir sind rebellisch. Wir wollen unseren eigenen Weg gehen. Unser Ego will regieren – und das betrifft nicht nur „die Welt“, sondern auch Christen.

Ein Bild hilft mir, das zu verstehen:
Stell dir vor, du willst mit dem Auto von A nach B. Du schaltest dein Navi ein, weil du sicher ankommen willst. Aber dann fährst du trotzdem, wie du willst – einfach, weil dir ein anderer Weg besser gefällt. Das Navi berechnet neu, versucht dich zurückzuführen. Aber wenn du dich dauerhaft weigerst, darauf zu hören, und am Ende der Sprit alle ist, kannst du nicht dem Navi die Schuld geben, dass du dein Ziel nicht erreicht hast.

So ist es mit Gott. Er wirbt Tag für Tag um dich. Er möchte dich führen, stärken, trösten, begleiten. Aber er zwingt sich dir nicht auf. Wenn du ihn ignorierst, darfst du ihm am Ende nicht vorwerfen, dass du dich verirrt hast – weder im Leben noch in der Ewigkeit.

Denn das ist für mich das Gericht: Am Ende unseres Lebens ist der Tank leer, der Tag vorbei – und dann zählt nicht, wie „gut“ wir waren, sondern ob wir Gott vertraut haben. Ob wir sein Rettungsangebot angenommen haben.

Johannes schreibt:

„Wer aber nicht an ihn glaubt, über den ist das Urteil damit schon gesprochen.“

Das ist keine Drohung, sondern eine realistische Bestandsaufnahme. Wer sich weigert, sich helfen zu lassen, bleibt in seiner Orientierungslosigkeit. Und das ist vielleicht die eigentliche Tragik.

Deshalb: Hab keine Angst vor Gott. Wenn überhaupt, dann hab Angst vor deinem Ego.

Sei gesegnet.

„Der Mensch, der Gott entbehren kann, hat sich selbst zum Maß aller Dinge gemacht – und damit den Maßstab verloren“ (Peter Hahne).

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